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Die Hirten auf dem Felde

19.12.2021

Weihnachten im Ohr: Die Weihnachts-Geschichte mal anders.

In Wildenbruch und Michendorf hängen seit dem dritten Adventswochenende Plakate, auf denen wichtige Personen der Weihnachtsgeschichte zu sehen sind. Maria und Josef sind unterwegs, ebenso der Hirte und die drei Weissinnen. Wir möchten die wundervolle Weihnachtsgeschichte im Dorf sichtbar und hier auf der Website nachvollziehbar machen. Es gibt dafür drei Möglichkeiten:


1. Ganz kurz für Eilige
2. Etwas Biblisches
3. Was kann das für Dich bedeuten?

Interesse? Zum Hören und zum Lesen

1. Ganz kurz für Eilige:

Du bist Hirte*in auf dem Feld Deines Lebens. Weihnachten meint Gott Dich ganz persönlich. Das Wunder geschieht für Dich ganz persönlich - genau da wo Du bist und wie Du bist. Zeit, sich das mal anzusehen!

2. Etwas Biblisches:


Den Hirten auf dem Felde, die des Nachts bei den Hürden ihre Herde hüten, wird die Botschaft von der Geburt Jesu zuerst verkündet. Der Evangelist Lukas lässt mit dieser Botschaft für die Hirten etwas Atemberaubendes anklingen. Denn die Hirten, die ganz einfachen Leute als Adressaten derBotschaft aus dem Himmel (siehe Engel) auszuwählen, ist schon ein starkes Stück. Vom großen, nahezu allmächtigen Kaiser Augustus führt die Weihnachtsgeschichte nach Lukas in zwei Zügen von ganz Oben nach ganz Unten. Vom Kaiser in Rom zum Kind in der Krippe (siehe Maria und Joseph) und vom Himmel zu den einfachen Hirten. Wie wir später sehen werden, im Grunde zu uns.
Es ist schon beeindruckend, wie weit Lukas die Bögen in seiner Weihnachtsgeschichte spannt, um das spannende Wunder der Geburt Jesus zu erzählen.

Ausgerechnet die Hirten, werden die ersten Hörer*innen der Weihnachtsgeschichte gedacht haben. Denn Hirten gehörten in der Welt Israels zu den Menschen, die sozial und religiös ganz am Rande der Gesellschaft ein karges Dasein führten.  

Allerdings war der Hirtenberuf in der hebräischen Bibel und der Geschichte Israels durchaus wichtig und bedeutsam. Zum Beispiel war der wichtige König David, aus dessen Geschlecht auch der Messias kommen sollte, ein Hirtenjunge, als er zum König gesalbt wurde. Ihm wird auch die Dichtung des berühmten 23. Psalms zugeschrieben: Der HERR ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln. Der Stammvater Abraham war ein Kleinviehnomade. Mose, der die Israeliten aus Ägypten führte, hütete bei seiner berühmten Berufungsgeschichte die Herde seines Schwiegervaters. Also kurz gesagt wimmelt es in der hebräischen Bibel von Hirten und auch in der griechischen Bibel spielen sie eine Rolle, weil sich Jesus selbst als den guten Hirten sehen konnte. Aber zur Zeit der Geburt Jesu war das auch schon ein romantisches Bild, wie wir es im Grunde heute auch noch von Hirten haben.  

Zur Zeit der Geburt Jesu waren Hirten in der israelitischen Gesellschaft– vorsichtig formuliert – wenig geachtet und galten als eher zwielichtige Personengruppe. Sie lebten nicht in festen Häusern und konnten aus diesem Grund kaum den wichtigen religiösen Geboten und Lebensregeln der Thora Folge leisten. Sie lebten deshalb ganz am Rand der Gesellschaft. Oft waren sie sicher nicht mal Besitzer der von ihnen gehüteten Herde, sondern nur gemietete Aufpasser. Das klingt in dem Wort von Jesus mit an: Ich bin der gute Hirte – nicht einer von den Mietlingen, die sich verdrücken, wenn Gefahr droht.

Kurz gesagt, Hirten wären keinem eingefallen, wenn es darum ginge, die Geburt des Messias anzusagen! Solchen Hirtenleuten wird nun von dem Engel aus dem Himmel die Botschaft von der Geburt des Sohnes Gottes verkündet. Hier lässt der Evangelist Lukas die Botschaft im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Himmel in die Welt der Hirten fallen. Literarisch ist es bewundernswert und faszinierend, wie Lukas das in ganz wenigen Worten bewerkstelligt. Es lohnt sich diesen Satz wirklich in der Luther Übersetzungzu lesen: Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde

In einem Satz entfaltet sich die ganze Hirtenwelt: die Nacht, das Lagerfeuer, die Herde, die in den Hürden (bewegliche Zäune) eingepfercht ist. Luther, der ja mit seiner Übersetzung der Bibel unsere Hochsprache erst auf den Weg brachte, zeigt sich als Übersetzer wirklich als Poet, ja als Sänger, der er auch war (siehe „Vom Himmelhoch da komm ich her“, Text und Musik Martin Luther). Schon die Folge HirteHürdenhütenHerde hat einen soghaften Rhythmus. Stellen Sie sich den Satz mal vor mit: Schäfer – Zäune – weiden – Schafe.

By the way: Wenn Sie die Weihnachtsgeschichtein diesen Tagen lesen, nehmen Sie Luther, es gibt nichts Besseres! Das Evangelium – die Frohe Botschaft – geht nicht an die„Groß Kopferten“, sondern an sehr einfache Menschen, mit sehr realen Problemen und einem in jeder Hinsicht ziemlich beschwerlichen Alltag. 

3. Was kann das für Dich bedeuten?

Ich habe es schon oben angedeutet. In der Weihnachtsgeschichte kommst Du ganz persönlich mit ins Spiel. Denn Du bist der Hirte, die Hirtin. Ein ganz wichtiger Held, eine ganz wichtige Heldin desGeschehens im Weihnachtswunder. Denn Du bist Adressat*in der Frohen Botschaft von der Geburt von Jesus. In die Hirten können wir unser eigenes Leben, unsere eigene Existenz mit hineinzeichnen und hineinlesen und in Deine Existenz hinausleben.

Dafür ein kleines Beispiel, wie ich mir das vorstelle. Als ich ein Kind war, liebte ich es, die Winnetou-Filme zu sehen. Wenn das Kino vorbei war, war ich irgendwie Winnetou und blieb es wochenlang. Wenn wir Kinder die Geschichte dann immer wieder nachspielten, wollte ich am liebsten Winnetou sein (weibliche Leser können sich gerne Nscho-schi, seine Schwester -schöner Tag - vorstellen), obgleich ich natürlich wusste, dass ich nur ein kleiner Junge war und eben nicht Winnetou. Aber ein Stück von mir war eben doch ein stolzer, grundehrlicher und tapferer Indianerhäuptling. Aber was damals passierte, meine ich mit Hineinschreiben in eine Geschichte und aus ihr herausleben.

Was die Weihnachtsgeschichte angeht, können wir zum staunenden Hirten*in auf dem Feld werden, uns aufmachen, nach Jesus zu sehen, in die Welt ziehen und von dem Wunder an der Krippe berichten – warum denn nicht, wenn Gott uns meint! Denn wir sind die einfachen Menschen, um die es Gott geht,wenn er in seinem Sohn Jesus Mensch wird. Es geht um die ganz einfachen Menschen mit ihrem ganz alltäglichen Leben. Ziemlich einfache Menschen könnte man sagen.

Es geht nicht (zuerst) um die Könige, nicht (zuerst) um die Schönen, die Reichen, die Mächtigen, die Bedeutsamen, die Wichtigen. Es geht tatsächlich um Dich und mich – um uns als Menschen, zu denen die Frohe Botschaft wie aus dem Himmel durchdringen will. Es geht darum, dass Gott Dir in genau Dein Leben, das Du so gut zu meistern versuchst, wie Du es kannst, mit allen seinen Höhen und Tiefen, die Du selbst am besten kennst, sagt: Ich liebe DICH! Du bist mir wichtig! (siehe Engel)

Pfarrer Michael Dürschlag

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